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Der universelle Borderliner https://www.grenzhaus-forum.de/viewtopic.php?f=12&t=6000 |
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Autor: | aux_limites [ 18. Jun 2010, 10:10 ] |
Betreff des Beitrags: | Der universelle Borderliner |
Ihr lieben anderen Angehörigen, Nachdem ich mich in letzter Zeit sowohl freiwillig als auch notwendigerweise mit der Persönlichkeitsstörung meiner Freundin B. befasst habe sind mir einige Dinge aufgefallen, die ich gerne mit Euch teilen oder diskutieren möchte. Es ist in meinen Augen eine erstaunliche Sache und schwer zu beschreiben, ich versuche trotzdem es so wenig redundant wie möglich zu halten. Seht mit bitte nach, falls das nur semioptimal gelingt. Während der ausführlichen Gespräche mit meiner an BPS leidenden ("leidenden" könnt ihr wörtlich nehmen) Freundin B. und der Befassung mit dieser Persönlichkeitsstörung und ihren unterschiedlichen Ausprägungen, fällt mir immer wieder auf, wie nah manche typische Struktur des BPS dem normalen Verhalten und auch meinen eigenen Handlungsweisen ist. Man könnte fragen, welche genau das sind, aber zunächst handelt es sich um eine Emotion, das Gefühl "es könnte mir sehr leicht ebenso ergehen ergehen" oder "auch ich wäre imstande auf diese Weise handeln und empfinden". Es liegt natürlich die These nahe, dass diese emotionalen Eindrücke eine natürliche Folge der einfühlsamen Auseinandersetzung mit dem Leid einer lieben Person sind. Das man andererseits die Möglichkeit der Ähnlichkeit in sich entdecken kann, wenn man genauer hinsieht, scheint mir aber ebenfalls zuzutreffen. Dies ist eine beunruhigende Erkenntnis. Es ist für mich unerlässlich klar zwischen der legitimen Besorgnis und der Furcht vor der eigenen Verunsicherung zu unterscheiden. Kurz gesagt: sie hat ihre Probleme und ich die meinen. Verwechslungen auszuschließen ist in der Praxis aber eher meine Aufgabe, denn ich bin in erster Linie für mich selbst verantwortlich. Besonders dann, wenn ich vorhabe ein wenig Verantwortung für einen persönlichkeitsgestörten Menschen zu übernehmen. Ich frage mich, ob andere Angehörige oder Betroffene Erfahrung mit diesem Problem haben. Bisher glaube ich zu beobachten, dass viele derer die sich quasi instinktiv distanzieren, kaum einen Anlass dafür haben können der nicht vielmehr mit ihrer eigenen Persönlichkeit mehr zu tun hat, als mit dem Verhalten der an BPS leidenden Freundin. Mit anderen Worten: die Leute machen sich aus Angst vor der eigenen Verunsicherung aus dem Staub. B. (die Freundin) hat vielen gar keinen Anlass gegeben, der das fluchtartigen Verschwinden rechtfertigt. Es hat ausgereicht anders zu sein als die meisten. |
Autor: | Marika [ 20. Jun 2010, 19:27 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Der universelle Borderliner |
Hey du, will mal versuchen, dir zu antworten - bin selbst Betroffene... Ich habe mal in einem der zahlreichen Ratgeber gelesen, dass viele Verhaltensweisen auch Nicht- BLer oder "Gesunde" kennen, dass es aber bei uns BLern sehr viel stärker ausgeprägt ist... Von daher hast du das gut beobachtet! Ich kenn das, dass viele sich distanzieren und abwenden, sobald ich ihnen sage, was mit mir los ist... Denke, dass das z.T. mit den Stereotypen zusammenhängt: So und so sind Borderliner... Borderliner sind nicht beziehungsfähig, etc... Aber zum anderen sicher auch mit der Angst vor unserem Anderssein und dem Unvermögen für sich selbst da einen Weg zu finden... Sorry, etwas wirsch und sicher nicht vollständig... Wollte nur sagen, dass ich es kenne und ebenfalls erlebe... Liebe Grüße von Marika |
Autor: | aux_limites [ 20. Jun 2010, 20:27 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Der universelle Borderliner |
Vielen Dank für Deine Antwort, Marika. Meine eigene Wahrnehmung, mit der anderer zu vergleichen gibt mir im Moment viel Kraft und Sicherheit. Das ist unheimlich wichtig, weil die Konfrontation mit unserer betroffenen Freundin viel Neues und auch Verunsicherungen hervorruft. Die Beteiligten reagieren darauf ganz verschieden. Ich treffe auf Menschen die enttäuscht sind und frage mich manchmal, ob ich in einem Jahr auch zu den warnenden Distanzierten gehöre. Im Augenblick glaube ich, wir haben eine gute Chance nicht zu frustrieren wenn wir die Sache realistisch sehen und die Erfahrungen, von denen andere Betroffene und deren Freunde und Angehörige erzählen und schreiben, helfen dabei ganz unglaublich und machen uns viel Mut. Meine Frau und ich sind dafür wirklich dankbar. Wir bekommen so viel skeptischen Rat, vielleicht auch von Menschen, denen einfach ihre Besserwissereien Freude bereiten. Ich kann es nur wiederholen: jedes Verständnis und Zuspruch tut uns in diesen Tagen unheimlich gut. Ich fand an Deiner Antwort nicht wirsches, Marika. Genau die Frage, nach der Beziehungsfähigkeit stellt sich ja. Ich habe den Eindruck, dass es unsere Freundin B. erreicht, wenn ich sage, dass ich sie brauche. Erstmal verstehen wir uns und ich glaube, dass dies einwenig dazu beiträgt sie zu motivieren, die stationäre Therapie diesmal wirklich zu nutzen. Eigentlich ist es auch keine einfache Sache, eine vertiefte Freundschaft zu "nicht-Borderlinern" zu etablieren. Du hast Recht, Marika, einige finden keinen Weg. Dafür baucht man aber keine Persönlichkeitsstörung. Liebe Grüße von Thilo und Christiane |
Autor: | Marika [ 23. Jun 2010, 22:05 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Der universelle Borderliner |
Hey Thilo, hey Christiane, freut mich, dass ich euch zumindest ein bissl helfen konnte... Kann mir auch vorstellen, dass es einem Menschen (egal ob BLer oder net) gut tut, wenn man sagt, dass man ihn braucht... Allerdings muss man hier sehr aufpassen, dass man sich oder den anderen nicht überfordert / zu viel von ihm verlangt oder sich abhängig macht... Will jetzt nicht sagen, dass es bei euch so sein muss / so ist, aber das wollte ich trotzdem los werden als Warnung... Was mir sehr gut tut in Beziehungen ist, wenn ein "Ja!" ein ja bedeutet und ein "Nein" ein nein. Also wenn klar ist, wo ich dran bin... Was ich absolut hasse, ist wenn jemand sagt, er tut dies und jenes und es dann nicht tut... Bah, da könnt ich k*tzen... Was auch wichtig ist: Grenzen setzen! Ihr müsst euch nicht pausenlos für B. aufopfern, sondern habt auch das Recht auf schöne Stunden zu zweit!!! Ich möchte euch noch ein Buch empfehlen. Es heißt: Schluss mit dem Eiertanz von Randi Kreger und Paul T. Mason. Soweit ich weiß, ist das ein Klassiker zum Thema Angehörige von BL. Ich habe es selbst noch nicht gelesen, aber ich denke, es ist auch für Freunde hilfreich... Mehr Infos hier: http://www.balance-verlag.de/Buecher/bo ... k/005.html Liebe Grüße von Marika |
Autor: | aux_limites [ 24. Jun 2010, 01:19 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Der universelle Borderliner |
Zitat: [...] habt auch das Recht auf schöne Stunden zu zweit [...]
Danke Marika,das Buch wird gekauft, wir werden es in einer schönen Stunde zu zweit lesen. Zu unserem Glück genießen wir eine stabile Zweisamkeit. Im Moment neigt B. ja eher zur Distanz und wir versuchen alle drei, eine angemessene Ebene jenseits der Ängste zu finden. Eigentlich gelingt das, wenn wir uns etwas Zeit nehmen. Vorhin hatten wir einen wirklich schönen gemeinsamen Nachmittag mit unserer Freundin. Wir sprachen offen miteinander, was nicht einfach gewesen ist, aber nützlich. B. neigt dazu, sich den Kontakt zur Aussenwelt zu erschweren. Das Mobiltelefon bleibt gerne mal tagelang abgeschaltet und wir ahnen, dass diese Form der Autoaggression mit anderen S*lbstv*rl*tz*ng*n einhergeht und behalten leider recht. Am Ende ist es gut wenn unsere Freundin sich traut ehrlich zu sein und sieht, dass wir sie so lieben wie sie ist. Wir versuchen dem Problem der Fixierung dadurch vorzubeugen, dass wir Distanz trotz unserer Sorge akzeptieren. Aber unseren Teil von Vereinbarungen einhalten. Es gibt keinen Liebesentzug, aber eine gewisse Gelassenheit, trotzdem uns der Ernst der Situation bewusst ist. Eigenverantwortung ist ja eine natürliche Sache und wir trauen B. viel zu, eigentlich ist sie jemand, der sein Dasein ausgezeichnet administriert. Entsprechend unangenehm ist es für sie, Hilfe anzunehmen - vereinfacht gesagt. Es ist zur Zeit ausserdem hilfreich, dass wir noch andere Freunde haben und wir geben uns Mühe, auch Dinge zu erleben, die mit BLS nicht das geringste zu tun haben. Liebe Grüße Christiane und Thilo |
Autor: | Marika [ 24. Jun 2010, 14:14 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Der universelle Borderliner |
Hey Christiane, hey Thilo, das hört sich doch echt gut an!!! Freut mich, dass es bei euch so läuft... Und dass BLS nicht euer gesamtes Leben einnimmt . Denn das wäre für keinen hilfreich! Kenne ich aber auch, dass ich nur schwer zu erreichen bin... Aber manchmal brauche ich diese Zeit für mich und habe keinen Nerv auf die Menschen um mich herum... Auf die Menschen, die immer so fröhlich tun und von den Abgründen einer verl*tzten Seele nichts wissen (sollen)... Hilfe anzunehmen ist auch unglaublich schwer... Da kann der andere sich nur in Geduld üben und gucken, dass er es immer wieder zeigt, dass er da ist und dass auf den Verlass ist... In freundschaftlichen Beziehungen ist das mMn einfacher, da diese mehr Zeit haben, sich zu entwickeln als therapeutische, wo man bsd. im stat. Bereich schnell sein muss und schnell Ergebnisse vorzuweisen hat (sorry, aber so kommt es mir vor)... Nja, soweit erstmal von hier... Liebe Grüße von Marika |
Autor: | Marika [ 24. Jun 2010, 19:28 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Der universelle Borderliner |
Wollte noch was sagen, was mir in einem anderen Thread aufgefallen ist. Und zwar: die Vorstellung, dass jemand mich bedingungslos mag, habe ich auch nicht... Ich habe immer das Gefühl, ich müsste mir die Liebe erkaufen... Deswegen kann ich deine Zweifel wg. der Fotographie echt gut verstehen... (Aber du machst echt gute Fotos!) Mh... Wie man B. den "Druck" (selbstauferlegter Druck, sich deine / eure Liebe zu "erkaufen") weiß ich nicht... Nur denke ich, dass ein Foto bei der Fremdwahrnehmung contra Selbstwahrnehmung manchmal helfen kann... Nja, 'n paar Gedanken von mir... Liebe Grüße von Marika |
Autor: | aux_limites [ 24. Jun 2010, 23:43 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Der universelle Borderliner |
Zitat: [...] Nur denke ich, dass ein Foto bei der Fremdwahrnehmung contra Selbstwahrnehmung manchmal helfen kann [...]
Ja, Marika, dass glaube ich auch. B. sagt ja nach wie vor, dass sie Lust darauf hat. Vielleicht mache ich besser ein gegenseitiges fotografieren daraus, so das sie ein paar Bilder macht und ich auch. Das symmetriert die Situation und hilft vielleicht, eine unangenehme Hierarchie zu vermeiden. Sehr freundlich übrigens, dass Du meine Bilder lobst. Ich freue mich ehrlich gesagt immer, wenn sie jemandem gefallen.In Sachen "schwer zu erreichen" hatten wir heute eine Idee. B. hatte uns gestern zunächst erzählt, ihr Mobiltelefon sei heruntergefallen. Kurz gesagt habe ich nicht an einen Zufall geglaubt und ein wenig nachgefragt. Das verursachte eine komplizierte Reaktion bevor sich B. entschloss offen zuzugeben, dass sie nicht jederzeit für jedermann erreichbar sein wollte. Sie beteuerte, dies habe weniger mit Christiane und mir zu tun, was ich erstmal so hinnahm. Das ihre Mutter die Hauptursache der Distanzierung war, ist nicht ganz unwahrscheinlich. Da wir aber einige Dinge zu regeln helfen, für die Kommunikation unerlässlich ist, hatten wir den Einfall, ein Administrations-Telefon einzurichten und die Vereinbarung treffen, dass wir dieses nur für die notwendige Kommunikation in dringenden Fällen anrufen, B. aber verspricht es jedenfalls zu beantworten. In allen anderen Fällen rufen wir auf der Station an und respektieren die gewünschte Distanz. Unsere Freundin war ganz begeistert und wir sehen das als sinnvollen Versuch, die Realität zu gestalten. Die Struktur, sich für Zuneigung zwanghaft erkenntlich zu zeigen ist ja offenbar vielen Borderlinern in verschiedenen Versionen und unterschiedlicher Intensität eigen. Ich empfinde dieses Verhalten als besonders schwierig und sehr unangenehm, in erster Linie weil es ein steinhartes Misstrauen zum Ausdruck bringt. Es entstehen komische Situationen zwischen B. und mir, wenn sie mein Unbehagen bemerkt. Um sich angemessen zu revanchieren müsste sie sich schließlich eigentlich nicht revanchieren. Es ist manches kompliziert. Aber Komplikationen gefallen mir besser als die Distanzierung. Über ihr Bekenntnis, keinen Bock mehr auf das Handy gehabt zu haben, war ich richtig froh. Diese Form von Vertrauen ist nunmal im Moment der Höhepunkt. Liebe Grüße, Marika und vielen Dank für Deine "paar Gedanken". Thilo |
Autor: | Marika [ 28. Jun 2010, 20:08 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Der universelle Borderliner |
Hey Thilo, ja, das ist mEn eine sehr gute Möglichkeit, wenn ihr gegenseitig Bilder macht und nicht nur du von "oben"... Das mit dem Administrations-Telefon erscheint mir eine echt gute Lösung... Ich kenne das auch sehr gut, dass ich nicht immer für jeden erreichbar sein will und bin deswegen auch oft schlecht zu erreichen (gewesen)... Und dass ich iwelche Sachen erfinde, kommt mir auch bekannt vor... Denke, es interessiert die Leute eh nicht, was ich fühle, da ist man mit einer Ausrede oft besser dran... Mh... Finde es nach wie vor gut, dass ihr euch so um sie kümmert und sie ehrlich zu euch war... Das spricht echt für sich! Liebe Grüße, Marika |
Autor: | aux_limites [ 29. Jun 2010, 09:12 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Der universelle Borderliner |
Zitat: [...] und dass ich iwelche Sachen erfinde, kommt mir auch bekannt vor... Denke, es interessiert die Leute eh nicht, was ich fühle, da ist man mit einer Ausrede oft besser dran [...]
Ich empfinde es immer als sehr angenehm, wenn B. sich die Wirklichkeit gestattet. Das Vertrauen zwischen uns tut allen Beteiligten gut und es ist ausserdem entkrampfend als Verbündeter gesehen zu werden.Liebe Grüße, ich wünsche Dir einen wundervollen Dienstag, Marika. Thilo |
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